Jahresbericht 2022 | 2.2 Fachstelle Demokratische Jugendbildung
Fachstelle Demokratische Jugendbildung
Jugendverbände sind Orte der politischen Bildung. Im Rahmen ihres Engagements machen Jugendliche konkrete Demokratieerfahrungen. Sie übernehmen gesellschaftliche Verantwortung, handeln Kompromisse aus und reflektieren sie. Diese indirekte Demokratiebildung wird in der Jugendverbandsarbeit durch gezielte Angebote der politischen Bildung ergänzt.
Auch für den Jugendring Düsseldorf ist politische Bildung seit jeher ein wichtiger Auftrag und ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Durch die hauptamtliche Verankerung der Fachstelle „Demokratische Jugendbildung“ können Potenziale in diesem Bereich noch stärker genutzt werden. In Zusammenarbeit mit dem BildungsKick wurde beispielsweise das Format „U18-Wahl im Stadion“ (siehe S. 39) entwickelt und bei der Landtagswahl 2022 zum zweiten Mal umgesetzt.
Ihren inhaltlichen Schwerpunkt hat die Fachstelle in der historisch-politischen Bildungsarbeit. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit soll die Jugendlichen zu einem kritischen Blick auf die Gegenwart anregen. Gemeinsam gilt es, Ideen für die Zukunft unserer Gesellschaft zu diskutieren. Wenn wir aus der Geschichte lernen wollen, müssen wir auch darüber sprechen, wie jede und jeder Einzelne im Alltag Haltung zeigen kann. Bei der Veranstaltungsreihe „Mitmachen oder Widerstehen?!“ war beispielsweise die Auseinandersetzung mit Täter*innenschaft im Nationalsozialismus auch Ausgangspunkt für Gegenwartsreflexion.
Die Fachstelle versteht sich als Ansprechpartnerin für die Düsseldorfer Jugendverbände und deren Mitglieder rund um die Themen Demokratiebildung und Erinnerungsarbeit. Sie möchte junge Menschen motivieren, Erinnerungskultur aktiv mitzugestalten und sich für Demokratie und Toleranz einzusetzen. Als Vertreterin des Jugendrings im „Düsseldorfer Appell“ bringt die Fachstelle die Perspektive junger Menschen in das Bündnis ein.
Auch 2022 konnten bestehende und neue Kooperationen mit unterschiedlichen Akteur*innen der Zivilgesellschaft aufgefrischt oder geknüpft werden. So war der Jugendring in diesem Jahr seit langem wieder mit Angeboten im Programmheft von „Respekt und Mut – Düsseldorfer Beiträge zur interkulturellen Verständigung“ vertreten. Beim „Kino gegen Verschwörungschwurbelei“ (siehe S. 23) kooperierte die Fachstelle mit der Fach- und Koordinierungsstelle „Demokratie leben! in Düsseldorf“. Auch die Zusammenarbeit mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf wurde weiter vertieft. So wurde dem Jugendring bei der diesjährigen Gedenkstunde zur Erinnerung an die Opfer des Novemberpogroms die besondere Ehre zuteil, mit einer Rede vertreten zu sein (siehe S. 14).
Mitmachen oder Widerstehen?! Handlungsspielräume zur Zeit des Nationalsozialismus
Ohne die aktive Mitarbeit, aber auch ohne das Zuschauen oder Wegschauen vieler Menschen wäre das nationalsozialistische System nicht funktionsfähig und seine Verbrechen nicht möglich gewesen.
Bei der Veranstaltungsreihe „Mitmachen oder Widerstehen?!“ haben wir uns im März mit Täter*innenschaft im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Unter dem Titel „NS-Täter*innenspuren in Düsseldorf“ standen bei zwei Workshopabenden (4. und 11. März) in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf Biografien von Düsseldorfer*innen im Mittelpunkt, die das nationalsozialistische System aktiv unterstützten oder von ihm profitierten.
Die Beschäftigung mit den Biografien regte die Teilnehmer*innen auch zum Nachdenken, über die eigene Familiengeschichte an. Der ursprünglich für einen Abend vorgesehene Workshop konnte aufgrund des regen Interesses kurzfristig an einem weiteren Abend angeboten werden.
Bei einem ganztägigen Besuch der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang (12. März) in der Eifel, setzten die Teilnehmenden sich weiter mit der Thematik auseinander. In Vogelsang wurde zur NS-Zeit der Führungsnachwuchs der NSDAP ausgebildet.
Der Besuch des historischen Ortes führte einerseits die Faszination vor Augen, die der Nationalsozialismus auf viele junge Männer ausübte. Gleichzeitig wurden während des Workshops die Abgründe der Kriegsverbrechen offenbar, an denen viele der sogenannten „Eliteschüler“ Vogelsangs maßgeblich beteiligt waren. Gespräche über die individuelle Verantwortung und Handlungsoptionen der jungen Männer von damals eröffneten auch den Blick in die Gegenwart: Wie erinnern wir heute an deutsche Täter*innenschaft und welche Lehren lassen sich aus der Vergangenheit ziehen?
Erinnern mit Zweitzeug*innen
Bald wird es keine Überlebenden mehr geben, die als Zeitzeug*innen über die nationalsozialistische Verfolgung berichten könnten. Zweitzeugen e. V. hat sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensgeschichten der Zeitzeug*innen zu bewahren und an nachfolgende Generationen weiterzugeben.
Im Mittelpunkt des Online-Workshops im November stand die Geschichte von Erna de Vries, die als Jüdin von den Nazis verfolgt und als Jugendliche zusammen mit ihrer Mutter nach Auschwitz verschleppt wurde. Auf sehr persönliche Art vermittelte die Zweitzeugin Ksenia Eroshina Ernas Lebensgeschichte, die von großem Leid, aber auch von Stärke und Hoffnung geprägt ist. Die Teilnehmer*innen wurden so selbst zu Zweitzeug*innen, die die Geschichte weitererzählen können.
Kino gegen Verschwörungschwurbelei
Wie umgehen mit Menschen, die an Verschwörungserzählungen glauben und sie verbreiten? Mit dieser Frage setzt sich der Film „Die Känguru-Verschwörung“ auf humoristische Art auseinander. Zusammen mit der Fach- und Koordinierungsstelle „Demokratie leben! in Düsseldorf“ und der DGB-Jugend Düsseldorf – Bergisch Land zeigte der Jugendring den Film im Dezember im Kino.
Der Kinoabend bot viel Gelegenheit zum herzhaften Lachen, regte aber auch zum Nachdenken an. Im Anschluss an die Filmvorführung stand der Medienpädagoge Hans-Peter Dürhager als Ansprechperson für Fragen rund um das Thema Verschwörungserzählungen und Fake News für Gespräche zur Verfügung.